Schicksale Gehörloser in der Nazizeit:

1923 und 1924 regte der hörende (h) Arzt G. Boeters Operationen zur Sterilisation von erbkranken Menschen an und führten verschiedene Experimente durch.
Das Gesetz zur Unfruchtbarmachung „Lex Zwickau“ wurde 1923 beim Sächsischen Landtag und 1925 beim Preußischen Reichstag vorgebracht. Einige Taubstummenlehrer waren Befürworter. Der Reichsverband der Gehörlosen Deutschlands e.V. (Regede) und Dr. Paul Schumann (Leipzig) erhoben Einspruch. Beide Gesetzanträge wurden abgelehnt.
Adolf Hitler hatte sich schon 1928 in den Büchern „Mein Kampf“ und Tine Abrechnung“ eindeutig zur Sterilisation bekannt: „Die Forderung, daß defekten Menschen die Zeugung anderer ebenso defekter Nachkommen unmöglich gemacht wird, ist eine Forderung der klarsten Vernunft und bedeutet in ihrer planmäßigen Durchführung die humanste Tat der Menschheit.“ Gehörlose galten für Hitler als „defekte“ Menschen. Er verwirklichte seine Forderung mit dem Reichsgesetz vom 14. Juli 1933 zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“.

Durch die Machtübernahme der Nazis begann ein tragischer Abschnitt der Gehörlosengeschichte. Auf Befehl der NSDAP begann die Gleichschaltung aller Vereine. Selbständige Gehörlosenvereine wurden aufgelöst und durch Ortsgruppen des Regede ersetzt. Sie wurden in 32 „Gauen“ zusammengefasst.
Zahlreiche Gehörlose waren trotz solcher Willkür wie viele Millionen Menschen begeisterte Mitläufer der NSDAP. Sie hofften auf die Gleich- und Besserstellung in der Gesellschaft.
Auf Grund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ am 14. Juli 1933 wurden bis 1945 400.000 Menschen, davon mehr als 15.000 Gehörlose, zwangssterilisiert. Die „erbkranken“ Gehörlosen wurden aus NS- „rassenhygienischen“ Gründen von den Gesundheitsämtern und Gehörlosenschulen verfolgt und von den Ärzten zwangssterilisiert. Junge Paare mussten vor der Eheschließung vom Gesundheitsamt ein Ehetauglichkeitszeugnis einholen, ob sie bereits sterilisiert waren oder werden mussten.

Das Gesundheitsamt forderte auch die Taubstummenanstalten dazu auf, Auskunft zu geben, ob ihre ehemaligen Schüler und Schülerinnen gehörlose Geschwister oder Nachfahren haben.
In regelmäßigen Abständen und in verschiedenen Städten warben die Lehrer mit Vorträgen für die nationalsozialistische Gesundheits- und Rassenpolitik und die Sterilisation und warnten vor der Ehe mit Erbkranken und Juden.

Mit Beginn des Krieges fand dann die als Euthanasie bezeichnete Tötung der in den Heimen untergebrachten geistig Behinderten und der Bewohner der psychiatrischen Anstalten durch Vergasen in eigens eingerichteten Tötungsanstalten statt. Einziges Kriterium für das Urteil über Leben und Tod war die Arbeitsfähigkeit.


Mit dem Beginn des Krieges am 1. September 1939 wurden die Zwangssterilisierungen weitgehend eingestellt, da die Ärzte bei den Truppen gebraucht wurden. An Stelle der Sterilisierungen trat nun die "Euthanasie".

Umgehende Todesnachricht nach dem Abtransport, offensichtlich falsche Todesursachen und anderes mehr trugen dazu bei, daß sich der Mord schon im Februar 1940 in weiten Kreisen der Bevölkerung herumgesprochen hatte. Die Kreisleitung der NSDAP Ansbach faßte die allgemein vorkommenden "Pannen" in einem Bericht an die Gauleitung Franken zusammen: "1. Eine Familie hat versehentlich zwei Urnen bekommen. 2. Eine Todesnachricht zeigte als Todesursache: Blinddarmentzündung. Der Blinddarm war aber bereits vor zehn Jahren herausgenommen worden. 3. Eine andere Todesursache war Rückenmarkleiden. Die Familienangehörigen hatten den vollkommen Gesunden 8 Tage vorher besucht. 4. Eine Familie erhielt eine Todesanzeige, während die Frau heute noch in der Anstalt lebt und sich körperlich bester Gesundheit erfreut." In einem Extremfall bekamen Eltern die Todesnachricht und die Urne ihres Kindes, das sie nach Hause geholt hatten und das trotz der amtlichen Todeserklärung bei ihnen lebte.

Euthanasie
Das griechische Wort „Euthanasie“ bedeutet „schöner, leichter Tod“, Gnadentod. Unheilbar kranke Menschen wurden von den Nationalsozialisten als überflüssiger Kostenverursacher und daher als unwertig betrachtet und wurden so Opfer der „Euthanasie“..
In „Volk und Rasse“ formulierte H. Maeße (h) die Kosten-Nutzen-Rechnung der Nationalisten: „An Lebenshaltungskosten stehen für Kopf und Tag zur Verfügung für Taubstummen und Krüppel sind 6.- Reichsmark; Verbrecher: 3,50 RM; Geisteskranke: 4,50 RM. Krüppel und Taubstumme sind am teuersten.“
1.600 „schwachsinnige“ Gehörlose wurden in Hell- und Pflegeanstalten im Rahmen des nationalsozialistischen „Euthanasie-Programms“ umgebracht, dieses „Euthanasie-Programm“ löste unter den Gehörlosen große Ängste aus.

Am 24. August 1941 stoppte Hitler die "Euthanasie" in der bisherigen Form, die Gründe lagen in den bischöflichen Protesten , nach anderen Angaben hielt Hitlers Sonderzug zufällig bei einem Abtransport geistig behinderter Kinder, deren Angehörige dann Hitler gegenüber eine drohende Haltung eingenommen hätten.

Viele gehörlose Juden waren hochbegabte Menschen, die sich aktiv am Leben der Gehörlosenvereine beteiligten. Die Juden spürten nach der Machtübernahme der NSDAP und der Gleichschaltung der Gehörlosenvereine sicherlich als erste die Gefahren der Verfolgung.
Bereits 1933 nach der Gleichschaltung wurden auf Befehl der Regede alle jüdische Gehörlosen aus der Gehörlosengemeinschaft „entfernt“.

Ab 1942 wurden Juden zum „Arbeitseinsatz“, wie man damals die Deportation verschleiernd bezeichnete, nach Dachau oder in den Osten geschickt und in Konzentrationslagern vergast.

(Quelle:www.behinderte-in-nuernberg.de, www.trisomie21.de, Jochen Muhs, Gehörlose in 3. Reich)

-es kommen noch mehrere Berichte hinzu-

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