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Chronik der Gehörlosenbildung Frankenthal in der bayerischen Pfalz:

1825:

Am 21. Oktober began Augustin Violet mit sechs bildungsfähigen Taubstummen im Alter von 8,10,13,14,18 und 22 Jahren sowie dreißig hörenden zusätzlich verwahrlost, verroht, lern- und geistigbehindert, körperbehindert und/oder sehbehindert Kinder ins "Thorhäuschen" des Armenhauses. Im Laufe der Zeit erhöht sich die Zahl der Taubstummen bis auf 39 im Jahr 1844.

Augustin Violet führte den gesamten Unterricht in wesentlicher Verbindung mit der Gebärdensprache durch, die für ihn "urbildlich, erklärend, erzählend, künstlich und grammatisch. Folgerichtig bat er, die Abteilungen der Hörenden und der Taubstummen getrennt voneinander unterrichten zu können. Aus Kostengründen wurde auf seine Aufsichtspflicht hingewiesen und die Fortdauerder gemeinsamen Betreuung und Förderung angeordnet.

Er hatte den Wunsch, die Unterkünfte der Taubstummen von denen der anderen Anstaltsinsassen zu trennen. Der Wunsch wurde nicht erfüllt.

Die Taubstummenanstalt fand in der Armen-, Zucht- und Irrenanstalt statt.

1832:

August Violet wendet sich immer mehr der deutschen lautsprachlich-grammatikalischen Richtung Jägers zu, um sehr sensibel alle im individuellen taubstummen Kind vorhanden geistigen und seelischen Kräfte zu wecken, zu mobilisieren und positiv zu weitestgehender Selbstständigkeit zu entwickeln.

1860:

In Weiterführung der Reformpläne Violets stellte Nikolaus Kirsch folgende Anträge:

1. Trennung der Taubstummen von den übrigen Insassen der Armen- und Irrenanstalt.

2. Beaufsichtigung nicht mehr durch Wärter, sondern durch Lehrer.

3. Errichtung eines Neubaus

 

Inpektoren und Direktoren:

1825-1859 Augustin Violet

1859-1879 Nikolaus Kirsch

1880-1891 Ernst Kadner

1891-1921 Johannes Kling

1921-1945 Karl Huber

Schülerliste

Lehrerkollegium

Sonstige Mitarbeiter

 

1873:

Der "Landrath der Pfalz" genehmigte schließlich die Mittel für einen Neubau im Gelände der Kreis-Heil- und Plegeanstalt, der gleich bezogen werden konnte. Zugleich trat eine Bestimmung in Kraft, wonach die neue Anstalt nur Taubstumme aufgenommen werden dürfte. Die Folge war ein Anstieg der Schülerzahl auf 50. Die Beaufsichtigung der Schüler erfolgte immer noch durch Wärter. Uniformierte Anstaltskleidung war Vorschrift.

1884:

Ernst Kadner kam aus München und wurde Leiter der Einrichtung. Sein Streben ging dahin, die Taubstummenanstalt von der Kreis-, Kranken- und Pflegeanstalt zu lösen. Er forderte:

1. Beseitung der Wärter aus dem Erziehungsdienst.

2. Aufnahme der Zöglinge nicht mehr durch die Verwaltung des Krankenhauses, sondern durch den Hauptlehrer.

3. einen eigenen Haushaltsplan.

4. Abschaffung der uniformierten Anstaltskleidung.

5. eine eigene Kostordnung.

6. einen Schulgarten.

Seine Forderung wurde von dem "Landrath der Pfalz" zögernd ein. Nach dem selbstständigen Herausgeben von Jahresberichten ab 1880 und dem Führen eines eigenen Dienstsiegels ab 1882, wurde schließlich die ökonomische Selbstverwaltung der Schule ab 1884 genehmigt. Der Hauptlehrer der Schule wurde unmittelbar untergeordnet und war berechtigt in allen Angelegenheiten der Taubstummenanstalt mit dieser Stelle selbstständig zu verkehren. So erhielt eine Amtstafel mit der Aufschrift: "Kgl. Kreistaubstummenanstalt Frankenthal".

Die Schule erfuhr in der Folge einen raschen Aufschwung. Anstaltskleidung und Wärter im Erziehungsdienst wurden abgeschafft. Die Zahl der Lehrerstelle vermehrt.

1886:

Die siebenjährige Schulpflicht wurde eingeführt.

 

 

1895:

Das Schulgebäude in der Einfriedung der Krankenanstalt war inzwischen zu klein geworden. Johannes Kling musste einen bereits früher in Aussicht genommenen Neubau erneut beantragt. Der Landrath der Pfalz ahtte in der Sitzung vom 22. November 1892 die Hochherzigkeit, 245 000 Mark für einen Neubau zu genehmigen. Von allerhöchster Stelle ist dem Landrath hierfür der Ausdruck des besonderen Wohlgefallens zuteil geworden."

Die Stadt Frankenthal, die stolz darauf war, eine Schule zu besitzen, welche arme " von der enterbte" Taubstumme einer Bildung zuführte, kaufte ein Grundstück von 2 ha 36 a an der Speyerer Landstrasse, der heutigen Mahlastrasse an. Die neue Schule konnte feierlich eingeweiht und bezogen werden.

1898-1901:

Die Fächer Naturkunde, Handfertigkeitsunterricht, Mädchenturnen und Geschichte wurden eingeführt.

1902:

Nach einem Besuch des berühmten Professors Dr. Friedrich Bezold aus München waren bereits Klassen für Schüler mit Hör- und Sprechresten eingerichtet worden.

1906:

Ein neuer Lehrplan wurde ausgearbeitet und in Kraft gesetzt. Nachdem 1898 das Lehrpersonal der Volkschulen verpflichtet worden war, taubstumme Schülerinnen und Schüler bei der Schulaufnahme schriftlich der Schulaufsicht anzuzeigen. Dadurch wuchs die Schülerzahl rasch.

1925 und 1927:

Ein Beschluss des Kreistages führte das achte und neunte Schuljahr ein.

1929:

Der Kreistaubstummenanstalt wurde eine Berufsschule eingegliedert.

1936:

Die schon unter J. Kling begonnene Fürsorge für schulentlassene und erwachsene Gehörlose übernahm der Schule Hauptlehrer Theoder Löhr.

1938:

Da sich das Einzugsgebiet der Schule bis in das Saarland erstreckte, wurde die Schule umbenannt in "Saarpfälzische Gehörlosenschule mit Heim".

1939:

Die Schule betreute mit 12 Lehrern in zehn Klassen 108 Schüler.

1943:

Die Frankenthaler Kreisgehörlosenschule mit Heim (Mahlastrasse) in der ehemaligen bayerischen Pfalz war durch Bombenangriff total vernichtet,die Seitenflügel dagegen wenig beschädigt.

Während der Kriegszeit wurde die Pfalz von Bayern durch Naziregime getrennt und gehört nach dem Krieg zum Rheinland-Pfalz.

(heute: Pfalzinstitut für Hörgeschädigte in der ehemaligen Psychiatrischen Krankenhaus)

Quelle: 175 Jahre Hörgeschädigtenbildung Pfalzinstitut für Hörsprachbehinderte Frankenthal,2000